"Wir müssen stolz darauf sein, was wir sind!" – Potsdams Fädenzieherin Sarah Zadrazil über Turbine, Party mit Neymar und den Frauen-Fußball im ZOCCER-Interview

Bad Ischl/Potsdam – Es gibt Menschen, die findet man sofort sympathisch. Menschen, wie unsere Sarah Zadrazil. Die 26-Jährige Österreicherin versprüht immer gute Laune, hat eigentlich fast immer ein Lächeln auf den Lippen. Star-Allüren? Fehlanzeige. Dabei gehört sie zu den großen Persönlichkeiten im Frauen-Fußball. 70 Länderspiele hat die zentrale Mittelfeldspielerin für ihr Heimatland schon absolviert, ist Capitano und Spielmacherin bei Turbine Potsdam, ist Österreichs Fußballerin des Jahres und obendrein auch noch in ganz gehobenen Kreisen unterwegs. Das alles schreit doch nach einem ZOCCER-Interview. Und genau deshalb haben wir Sarah für euch mit Fragen bombardiert und mit ihr über Turbine, die boomenden Frauen-Fußball-Ligen im Ausland, Neymar und über Sarah selbst gesprochen. Schaut mal!

ZOCCER: Hey Sarah, schön dass du dir Zeit nimmst für uns. Wie geht's dir denn aktuell?
Sarah: "Hey! Ja klar, gar kein Thema. Mir geht es aktuell sehr gut, sind ja vergangenes Wochenende gegen Freiburg in das Viertelfinale des DFB-Pokals eingezogen."

ZOCCER: Glückwunsch dazu. Zuletzt habt ihr auch wieder zwei Mal in Folge in der Bundesliga gewonnen. Wie wichtig waren die Siege nach eher holprigen Wochen zuletzt? Und die klassische Frage: Woran lag es denn, dass es so holprig lief?
Sarah: "Die Siege in der Liga waren wirklich sehr wichtig für uns. Wir konnten in den Spielen davor leider nie konstant das auf den Platz bringen, was wir können und ich bin froh, dass wir uns in den vergangenen Spielen dann auch endlich mal mit Punkten belohnt haben. Ich glaube, dass in unserer jungen Mannschaft sehr viel Potenzial steckt. Wir haben auch den richtigen Teamspirit. Nur leider konnten wir nie über die komplette Spielzeit eine gute Leistung zeigen und wurden gegen gute Mannschaften dafür bestraft. Wenn wir daran arbeiten und mehr Konstanz reinbekommen, können wir den positiven Trend der letzten Spiele hoffentlich fortsetzen."

ZOCCER: Seit dieser Saison bis du Turbine-Kapitänin. Wie viel bedeutet dir das? Und was sind deine Aufgaben?
Sarah: "Es ist natürlich eine riesen Ehre für mich bei einem Verein wie Turbine Kapitänin zu sein, aber grundsätzlich ändert sich dadurch für mich nicht viel. Ich versuche – wie auch schon die Jahre zuvor – voranzugehen und den jüngeren Spielerinnen zu helfen. Wir haben eine Mannschaft mit vielen tollen Führungsspielerinnen und da ist es nebensächlich wer am Ende die Schleife trägt."

"Wir können und müssen stolz darauf sein, ein reiner Frauen-Fußballverein zu sein und trotzdem eine gute Rolle in der Liga zu spielen!" – Sarah Zadrazil

ZOCCER: Um weiter wettbewerbsfähig zu bleiben, kommt es auch besonders auf euch Führungsspielerinnen an, in einer Zeit, in der immer mehr Männer-Bundesligavereine jetzt auch ein Frauen-Team haben. Wolfsburg und Bayern spielen in der Frauen-Bundesliga mittlerweile jährlich fast allein unter sich den Meister aus. Mit Freiburg und Hoffenheim kommen jetzt die nächsten beiden "Männer-Vereine" in die deutsche Spitze. Wie kann Turbine da als reiner Frauenfußball-Klub überhaupt noch mithalten?

Sarah: "Das stimmt. Aber ich sehe es so: Wir dürfen nicht herum jammern. Es bringt doch  nichts. Im Gegenteil: Wir können und müssen sehr stolz darauf sein, was wir sind. Ein reiner Frauen-Verein und trotzdem spielen wir eine gute Rolle in der Liga. Das ist doch etwas Besonderes. Natürlich wird es langfristig schwer, mit den großen Vereinen wie Bayern München, Wolfsburg und Co. mitzuhalten. Aber ich glaube, Turbine versucht wirklich alles Mögliche, um weiterhin die großen Mannschaften ärgern zu können."

ZOCCER: Wie siehst du generell die Entwicklung des Frauen-Fußballs in Deutschland aber auch international? Was hältst du von der derzeit boomenden „Women's Super League" in England?
Sarah: "Ich finde den Boom in einigen Ländern echt beeindruckend. Aber zugleich ist es auch wirklich schade, dass dies in Deutschland nicht so der Fall ist! England mit der Women's Super League, dazu die Ligen in Spanien und Frankreich. Auch immer mehr die Liga in Holland – sie alle sind ein Vorbild für viele andere Länder. Sie zeigen, was möglich ist im Frauen-Fußball. Dass es möglich ist, bei Länder- aber auch Liga-Spielen die Stadien zu füllen. Diese Länder machen vor, wie es gehen und wie cool das sein kann." 

"Die Ligen in England, Spanien und Frankreich sind Vorbild für viele andere Länder. Sie zeigen, was möglich ist im Frauen-Fußball." – Sarah Zadrazil

ZOCCER: Da hast du doch sicher auch Lust mal in solchen boomenden Ligen zu spielen, oder?

Sarah: "Ich mache mir aktuell über meine Zukunft noch keine Gedanken, hab ja auch schon am College in den USA tolle Erfahrungen gesammelt und weiß wie es ist, im Ausland zu spielen. Klar, ich kenne einige Spielerinnen aus anderen Ligen, es spielen ja auch einige aus unserer Nationalmannschaft im Ausland. Da unterhält man sich natürlich wie es dort so ist, fragt nach und bekommt Einiges mit."

ZOCCER: Apropos Einiges mitbekommen ... Wir haben mitbekommen, dass du mit Superstars wie Neymar und Gigi Buffon gefeiert hast ...

Sarah: (lacht) "Ja, ich war im Februar auf die Geburtstagsfeier von Neymar eingeladen, weil es da persönliche Kontakte gibt. Es war ein einmaliges Erlebnis im Pavillon Gabriel in der Nähe des Prachtboulevards Champs-Élysées. Um die 200 Leute waren da. Ich hatte einen super Abend und konnte sehr tolle Persönlichkeiten kennenlernen. Diesen Abend werde ich so schnell auch nicht mehr vergessen." 

ZOCCER: Hast du Neymars Handynummer?

Sarah: "Leider nein." (lacht)

"Ich muss nicht durch bunte Schuhe, Tricks und Schnörkel auffallen. Neben dem Platz sieht das allerdings etwas anders aus." – Sarah Zadrazil

ZOCCER: Wo wir gerade bei Blingbling und Stars sind: Auf dem Feld bist du eher die geradlinige Spielerin im zentralen Mittelfeld. Eine, die das Tempo bestimmt und öffnende Bälle spielt. Du drehst aber keine Kreisel und fällst nicht durch drölftausend Übersteiger auf. Privat sieht das dagegen komplett anders aus. Wir sehen dich immer wieder in echt verrückten Outfits. Wie passt das denn zusammen?
Sarah: "Ihr habt meine Spielweise ganz gut beschrieben. Ich spiele oft die einfachen Dinge, versuche, die Fäden zu ziehen, verteile die Bälle und bestimme das Tempo, muss aber nicht unwirklich durch bunte Schuhe, Tricks oder Schnörkel auffallen. Neben dem Platz sieht das allerdings anders aus. Bei meinem Klamottenstil falle ich sehr gerne auf. Ich mag außergewöhnliche Looks, liebe Mode generell und probiere gerne Styles aus. Shopping ist eines meiner größten Hobbies." (lacht)

ZOCCER: Zurück zum Fußball. Was war denn eigentlich dein bisher größter sportlicher Moment? Was dein schlimmster oder schwierigster?
Sarah: "Mein größter sportlicher Moment war das Erreichen des Halbfinales bei der EM 2017! Wir waren der absolute Underdog und haben es dann als Gruppensieger bis ins Halbfinale geschafft. Das Team, das Drumherum, der sportliche Erfolg – das war eine unglaubliche Zeit. Die werde ich nie mehr vergessen. Gleichzeitig war die Niederlage im Elfmeterschießen im Halbfinale gegen Dänemark ein sehr trauriger Moment für mich und das gesamte Team. Man war so nah dran an einem Finaleinzug und verliert dann doch noch. Am Ende überwiegen dann aber die positiven Erfahrungen und Momente und ich denke extrem gerne an diese Zeit zurück."

ZOCCER: Glauben wir dir sofort. Im Fußball liegen Sieg und Niederlage so dicht beieinander. Das macht ihn so besonders.  Aber wie bist du eigentlich damals zum Kicken gekommen?

Sarah: "Das war eigentlich eine ganz logische Folge. Mein Bruder hat lange Fußball gespielt und mein Vater war Trainer bei uns im Verein. Ich war von klein auf also immer am Fußballplatz und hab dann mit fünf Jahren begonnen im Verein zu spielen. Aber klar, als Österreicherin war und bin ich auch im Wintersport sehr aktiv." (lacht)

ZOCCER: Mit 26 Jahren bist du wirklich im allerbesten Fußballerinnen-Alter, wo soll es denn noch mal hingehen? Gibt's etwas, das du unbedingt noch erleben oder erreichen möchtest?

Sarah: "Puh, darüber mache ich mir eigentlich nicht wirklich Gedanken. Aber ein ganz großes Ziel, das ich noch habe, ist jedoch noch einmal bei einem Groß-Event dabei zu sein. Die Europameisterschaft 2021 in England wollen wir unbedingt erreichen, um dort dann noch einmal zeigen zu können, was in uns steckt."

ZOCCER: Was wäre dann eine Überschrift, die du unbedingt mal über dich lesen wollen würdest?
Sarah: (überlegt kurz) "Nicht über mich. Aber über uns wäre 'Österreich-Mädels packen die erneute EM-Quali' super." 

"Ohne meine Familie geht  nichts. Ohne sie wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Dafür bin ich sehr dankbar." – Sarah Zadrazil

ZOCCER: Wenn du Journalistin wärst, welche Frage würdest du einer Sarah Zadrazil stellen?

Sarah: "Ich denke, die Frage hier: 'Wie wichtig ist dir deine Familie?'"

ZOCCER: Na dann, Sarah: Wie wichtig ist dir deine Family?

Sarah: (lacht) "Ohne meine Familie geht nichts. Meine Familie ist mein Ein und Alles. Ohne sie hätte das alles nicht so funktioniert. Und ohne sie wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Sie haben mir immer alles ermöglicht und mich auf jedem Schritt in meiner Karriere begleitet und dafür bin ich sehr dankbar!" 

ZOCCER: Zum Abschluss hast du jetzt die Chance hier vor über 5000 Lesern zu sagen, was du ZOCCER schon immer mal sagen wollest ...

Sarah: "Ich finde es echt beeindruckend, was ihr euch aufgebaut habt und was für eine tolle Community das mittlerweile ist. Macht weiter so!"

ZOCCER: Hui, Dankeschön. :)
... und wenn ZOCCER dich zu einer knallharten Challenge herausfordern würde, würdest du ...
Sarah:
 "... natürlich die Herausforderung annehmen!"

ZOCCER: Sehr gut. Danke für deine Zeit. Und, liebe Sarah, dann fordern wir dich jetzt hiermit offiziell zu einer knallharten Challenge 2020 heraus!
Sarah: "Challenge accepted!"

Interview: Steven Jahn
Sportfoto-Credits: Saskia Nafe
(Instagram: @turbine_photography)
Alle anderen Fotos: zVg

Sarah Zadrazil

Name: Sarah Zadrazil
Geburtsdatum : 19. Februar 1993 (26)
Geburtsort: Bad Ischl (Österreich)
Nationalität: Österreichisch
Aktueller Verein: 1. FFC Turbine Potsdam (seit 2016)
Rückennummer: 27
Nationalteam: Österreich
Rückennummer: 9
Position: Zentrales Mittelfeld
Frühere Teams:

USC Abersee, USK Hof,

ETSU Lady Buccaneers,

FC Bergheim,

Washington Spirit Reserves

Erfolge:

2018 – Österreichs Fußballerin des Jahres

2017 – EM-Halbfinale mit Österreich

Spiele (Tore)

1. Bundesliga:

71 (10)

Spiele (Tore)

2. Bundesliga:

1 (1)

A-Länderspiele (Tore):

70 (12)

U-Länderspiele (Tore):

21 (13)

Trivia:

Sarah hat einen Ausrüster-Vertrag mit Puma

Instagram:

@sarah_zadrazil27

Stand: 15. November 2019


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