"Du kannst aufgeben – oder es allen zeigen!" – Bremens schwer verletzte Torjägerin Sofia Nati kämpft mal wieder um ihre Karriere. Und für ihren großen Traum.

Oberhausen/Bremen – Mit 15 gab sie ihr Debüt in der 1. Fußball-Bundesliga für Bad Neuenahr, sie wurde U19-Europameisterin mit dem DFB-Team, ist griechische Nationalspielerin, bestritt bereits über 100 Erstliga-Spiele und erzielte aus 35 Metern sogar das Tor der Woche. Eines der schönsten überhaupt in der abgelaufenen Bundesliga-Saison – Die Geschichte unserer Sofia Nati klingt eigentlich wie aus dem Bilderbuch. Das Mädchen aus dem Pott, das ihren Traum vom großen Fußball lebt. Das wäre aber leider nur die halbe Story. Die ganze Wahrheit ist viel heftiger: Sofia kämpft derzeit um ihre Karriere. Mal wieder. Im ZOCCER-Interview spricht die 26-jährige Angreiferin von Werder Bremens Frauen verdammt ehrlich über ihren zweiten Kreuzbandriss im März beim Spiel in Potsdam. Wie schlimm es war, nicht mithelfen zu können, den Erstliga-Abstieg zu verhindern, ihre Ängste, Wünsche und Ziele. Und wie sie täglich für ihr Comeback ackert.

ZOCCER: Hey, Sofia. Die wichtigste Frage zu allererst: Wie geht's dir?
Sofia: "Soweit ganz gut, danke. Ich habe keine Schmerzen mehr, die Operation verlief gut. So langsam habe ich meinen Kreuzbandriss akzeptiert und es geht bergauf. Direkt als es passiert ist, wollte ich es einfach nicht wahrhaben. Dann kam aber die Bestätigung. Es war, als würde man mir den Boden unter den Füßen wegreißen. Gerade in Bremen angekommen, super eingelebt, gut drauf und dann das …"

 

ZOCCER: Schön zu hören, dass es wieder bergauf geht. Der Moment auf dem Platz muss so brutal gewesen sein. Durch deinen ersten Kreuzbandriss mit 17 Jahren wusstest du sicher sofort, was da gerade wieder passiert ist, oder?
Sofia: "Ja, ich wusste direkt, dass mein Kreuzband wieder gerissen ist. Ich habe es gespürt. Es ist auch das gleiche Knie. Ich habe noch auf dem Platz zu unserer Physiotherapeutin gesagt, dass mein Kreuzband durch ist. Mir ging in dem Moment so viel durch den Kopf. Dass mir jetzt eine richtige Scheiß-Zeit bevorsteht. Aber vor allem dachte ich an die Mannschaft. Ich bin doch hergekommen, um zu helfen. Wie soll ich jetzt helfen? Warum ausgerechnet jetzt?"

 

ZOCCER: Im Saisonendspurt hätte dein Team dringend deine Hilfe gebraucht ... 
Sofia: "Der Abstieg tut so weh. Sie haben das doch so gut gemacht. Ich bin wirklich sehr traurig, dass ich meinen Mädels auf dem Platz nicht helfen konnte. Dieses Gefühl so machtlos zu sein, nur zugucken und nicht eingreifen zu können, war brutal."

ZOCCER: Glauben wir dir. Eine bittere Situation. Dein Team kämpfte um den Ligaverbleib und du in der Reha um deine Karriere. Aber wie liefen und laufen denn deine Tage da so ab?
Sofia: "Die erste Woche nach der OP war sehr, sehr schwer. Physisch und auch mental. Ich konnte nichts machen, war ständig auf Hilfe angewiesen. Aber jetzt mache ich jeden Tag kleine Fortschritte und bin positiv gestimmt. Ich habe ein Kraftprogramm zum Muskelaufbau, das ich jeden Tag absolviere. Dazu kommt täglich viel Stabilisationstraining, Behandlungen und und und. Mittlerweile darf ich schon Fahrrad fahren und Aquajogging machen. Das sind kleine Steps, die mich motivieren und mir zeigen, dass es vorwärts geht."

"Es bringt mir nichts zu planen. Weil es sowieso immer anders kommt, als man es sich vornimmt." – Sofia Nati

 

ZOCCER: Klingt nach einem heftigen Programm, das du da täglich abspulst. Hast du eventuell auch schon einen Plan im Kopf, wann du auf den Rasen zurückkehren kannst?
Sofia:
"Ehrlich gesagt nein! Es bringt mir nichts zu planen, weil es sowieso immer anders kommt, als man es sich vornimmt. So gehe ich einer möglichen Enttäuschung aus dem Weg. Sobald mein Knie und ich bereit dafür sind, werde ich wieder angreifen. Aber ich setze mich nicht unter Druck."

 

ZOCCER: Auf was freust du dich am meisten, wenn du es zum ersten Mal wieder machen kannst? Was vermisst du derzeit schmerzlich?
Sofia:
"Also, aktuell freue ich mich erstmal, dass ich keine Krücken mehr habe und selber Auto fahren kann. Es war echt ätzend, immer auf jemanden angewiesen zu sein. Momentan freue ich mich auch, wenn ich kleine Fortschritte in der Reha mache. Und dann, na klar, freue ich mich so sehr darauf, wieder einfach mal aufs Tor zu schießen. Oder generell bald einfach wieder auf dem Rasen zu stehen und da weiter zu machen, wo ich aufgehört habe."

 

ZOCCER: Aber bei aller Vorfreude: Hast du auch Momente, in denen du denkst: „Wofür mache ich das hier alles eigentlich? Es macht keinen Sinn mehr.“?
Sofia:
"Nein, definitiv nicht. Klar, du kannst aufgeben – oder es allen zeigen und stärker zurückkommen. Wer mich kennt, weiß, dass ich extrem ehrgeizig bin und niemals aufgeben werde, egal was ist oder wie schwierig die Situation ist. Dafür liebe ich dieses Spiel einfach viel zu sehr. Und noch habe ich auf dem Platz ein bisschen was vor!"

 

"Meine Familie und Freunde sind für mich da. Das schätze und brauche ich auch. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar." – Sofia Nati


ZOCCER: Das klingt doch super. Aber hast du auch manchmal Angst, dass es nicht mehr so wie vor der 69. Minute in Potsdam wird?
Sofia: "Anfangs ja, weil es schwer war, es zu akzeptieren und ich total Angst vor der Operation hatte. Aber jetzt überhaupt nicht mehr. Das Schlimmste ist überstanden, jetzt mache ich alles dafür, um noch stärker zurückzukommen. Wenn ich Zweifel und Ängste zulassen würde, würde ich mich nicht zu 100 Prozent auf mein Training und die Heilung konzentrieren. Deshalb lasse ich keine negativen Gedanken zu. Meine Familie und meine Freunde helfen mir dabei. Sie waren und sind immer für mich da, was ich unglaublich schätze und auch brauche, um es zu schaffen. Dafür bin ich ihnen wirklich sehr dankbar."


ZOCCER: Ist das auch ein Tipp, den du jungen Sportlern geben würdest, die sich zum ersten Mal schwer verletzt haben, dass sie keine Ängste zulassen dürfen, die sie blockieren oder behindern auf dem Weg zum Comeback?
Sofia:
"Genau. Das und noch etwas: Ich weiß jetzt, dass ich meine Reha in dem Alter ernster nehme als ich es vor neun Jahren bei meinem ersten Kreuzbandriss tat. Deswegen – egal was für eine Verletzung man hat – sollte man immer alles dafür geben, um stärker zurückzukommen."

 

ZOCCER: Eine gute Einstellung. Wir glauben fest an dich und wissen, dass du ein starkes Comeback packst. Dein Weg ist ganz sicher noch nicht zu Ende. Aber jetzt wollen wir es auch wissen: Was hast du denn in deiner Karriere noch für Träume und Ziele?
Sofia:
"Mein allergrößter Traum ist es, irgendwann mal mit Griechenland an einer WM oder EM teilzunehmen. Das wäre was."

ZOCCER: Und so persönlich? Welche Schlagzeile möchtest du unbedingt mal über dich lesen?
Sofia (überlegt): 
"Puh, gute und auch schwierige Frage. Aber cool wäre: 'Sofia Nati ist Torschützenkönigin in der 1. Bundesliga!'"

 

ZOCCER: Das hört sich nicht unrealistisch an. Besonders bei dem, was du schon erlebt und erreicht hast. Aber was war bisher dein schönster Moment in deinem Fußballer-Leben?
Sofia:
"Da gab es eine Menge. Aber trotzdem: Der EM-Titel mit dem U19-DFB-Team war bisher das Größte."

 

ZOCCER: Du sagst es – bisher. Da werden noch viele weitere tolle Momente dazukommen. Da sind wir uns ganz sicher, liebe Sofia. Dafür wünschen wir dir alles Gute.

Das Interview führte:
Steven Jahn
(Instagram: @stevenjahn71)
Fotocredits der Sportfotos:
Hansepixx
(Instagram: @hansepixx)
Fotocredits der anderen Fotos:
zVg von privat 

Sofia Nati

Geburtsdatum: 19. April 1993
Geburtsort: Oberhausen
Nationalität: Griechisch, Deutsch
Aktueller Verein: SV Werder Bremen
Rückennummer: 10
Nationalteam: Griechenland
Rückennummer: 7
Position: Angriff
Frühere Teams:

PSV Eindhoven, MSV Duisburg,
FCR 2001 Duisburg, Bad Neuenahr,

SG Essen-Schönebeck, SG Osterfeld,

DJK Arminia Osterhardt, DFB-U-Teams

Erfolge:

U19-Europameister 2011 mit dem DFB

Spiele 1. Bundesliga (Tore) 108 (27)
Spiele 2. Bundesliga (Tore) 23 (23)
Spiele Eredivisie (Tore) 2 (1)

A-Länderspiele für

Griechenland (Tore)

7 (2)

U-Länderspiele für 
Deutschland (Tore)

18 (8)

Trivia:

Sofia debütierte bereits mit 15

Jahren in der 1. Bundesliga.

Instagram: @sofianati10

Stand: 29.04.2019


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Kommentare: 1
  • #1

    Hans-Joachim (Dienstag, 14 Mai 2019 21:38)

    Ich wünsche Dir gute Besserung und einen erfolgreichen Verlauf der Reha. Kurier die Verletzung vollständig aus damit Du gesund wieder auf den Fußballplatz zurück kommen kannst.